Letzte Aktualisierung: 10. April 2006
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Das Kriegsende in Heber am 17. April 1945

von Erich Bosselmann

Das britische 8. Panzeraufklärungs - Regiment hatte die Aufgabe, Soltau zu umfahren und einen anderen Zugang zur damaligen Reichsstraße 3 zu suchen. Von dort aus sollte dann Richtung Hamburg vorgegangen werden.
Am Dienstag, den 17. April 1945 gegen 14.00 Uhr erreichten die ersten Panzer von Hemsen kommend Heber.
In Heber und Surbostel hatten sich zuvor eine 60 Mann starke Kompanie des Untersturmführers Fries verschanzt. Ob es tatsächlich so viele Soldaten waren, oder ob sie sich an der Reichsstraße 3 bis Surbostel verteilt hatten, ist sehr fraglich. Diese Soldaten kamen einzeln oder in Gruppen aus Richtung Hemsen und wurden hier zur Verteidigung Hebers gesammelt. Die Böhmebrücke zwischen Hillermann und der Reichsstraße 3 wurde zur Sprengung vorbereitet. Aber dazu kam es nicht: Bevor die Engländer Heber erreichten, hat Heinrich Hillermann die Zündschnur aus der Sprengladung gerissen. Die Grabenbrücke zwischen von Loh und Wiechern sollte auch gesprengt werden. Es gelang Otto von Loh jedoch, die deutschen Soldaten, auch mit Hilfe eines guten Essens, von diesem Vorhaben abzuhalten.
Aber noch jemand glaubte an den Endsieg: Der Volkssturmkämpfer                        lag bei Korte mit einer Panzerfaust im Garten. Zum Glück hat Lisa Korte ihn noch rechtzeitig entdeckt. Mit den Worten: "Bist du denn total verrückt geworden? Mach dass du nach Hause kommst!", ist es ihr gelungen, ihn von seinem selbstmörderischen Plan abzubringen.
Im Bereich der Mühle ging Irrgang den Engländern mit einer weißen Fahne entgegen und sagte, dass in diesem Teil von Heber keine Soldaten wären. Er betonte aber auch, dass er nicht für das Dorf sprechen könne. Die Engländer sind dann vorsichtig weitergefahren, wahrscheinlich bis zum ehemaligen Spritzenhaus (zwischen Broocks und der Schule). Der Kommandant vom ersten Panzer stieg aus und ging bei Broocks auf dem Hof. Mit seinem Fernglas wollte er erkunden, ob noch deutsche Soldaten vor der Reichsstraße wären. Plötzlich eröffneten die Deutschen das Feuer auf den Kommandanten, der tödlich getroffen zusammenbrach.
Familie von Loh, die von den deutschen Soldaten nichts wusste, hatte sich vor dem Haus versammelt, um die Engländer zu erwarten. Als die Schießerei begann, wurde der serbische Kriegsgefangene Veit durch einen gezielten Schuss in den Oberschenkel getroffen. Er wurde wahrscheinlich für einen deutschen Soldaten gehalten, weil er als Mütze ein Käppi trug. Von Lohs flüchteten daraufhin in den Keller. Otto von Loh hat den Gefangenen Veit noch verbunden. Aber da die Schlagader verletzt wurde, war keine Hilfe mehr möglich.
Inzwischen fingen die Engländer an, mit ihren Panzerkanonen auf die Häuser an der Reichsstraße zu schießen. Dazu fuhr ein Panzer nördlich am Hause von Martens vorbei und ging dort in Stellung. Außerdem wurde vom Dachboden aus den geöffneten Luken geschossen. Die Bewohner der getroffenen Häuser saßen entweder im Keller oder waren geflüchtet. Glücklicherweise kamen keine weiteren Personen zu Schaden. Die deutschen Soldaten hatten sich rechtzeitig vor dem Panzerbeschuss abgesetzt.
Folgende Häuser wurden durch Brandmunition völlig zerstört: Das Bauernhaus und ein Wohnhaus auf dem Posthof Wiechern, das Gasthaus von Loh mit Kegelbahn, Schießstand und Viehwaage, bei Landwirt Wilhelm Heins das Wohnhaus mit Scheune, das Gasthaus Heuer mit Nebengebäuden, bei Landwirt Schröder das Wohnhaus mit Scheune, bei Otto Röhrs konnte eine Hälfte des Hauses gerettet werden. Um 19.00 Uhr hörte das Schießen endlich auf. Die Engländer hatten ihr Ziel, die Reichsstraße 3, erreicht.
Nachfolgende englische Soldaten gingen in die unzerstörten Häuser, um deutsche Soldaten zu suchen. So kamen sie auch in den Luftschutzkeller bei Martens. Dort waren Marie Martens mit ihren Töchtern Mariechen und Luise Bosselmann und dem zweijährigen Wilhelm, Frau Neumann mit Sohn Alexander und die beiden serbischen Kriegsgefangenen Neppi und Stanko.
Durch den vollkommen sinnlosen Verteidigungsversuch sind zwei Menschen ums Leben gekommen. Die Bewohner der abgebrannten Häuser hatten meistens nur das retten können, was sie auf dem Leibe trugen.
Nach den Kampfhandlungen musste das Haus Martens geräumt werden, weil die Engländer hier ein Hauptquartier einrichten wollten. Die Bewohner wurden vom Nachbar Broocks aufgenommen.

Anmerkung: Die serbischen Kriegsgefangenen fühlten sich offenbar in Heber sehr wohl. Sie wurden im Ort aufgeteilt und halfen bei der Landwirtschaft und auch beim Torfstechen. Abends wurden sie in das Lager bei von Loh gebracht und dort auch bewacht. Das Lager war mit Stacheldraht eingezäunt, aber an Flucht dachte sicherlich niemand.




Sulingen, Februar 1992 Erich Bosselmann