Letzte Aktualisierung: 09. April 2018
Heber-Nett Dokumentenarchiv

Brief aus dem Gerichtsgefängis

13-jähriger Schulknabe sitzt 6 Monate wegen Brandstiftung 

Seite 1:

Übersetzung von Seite 1:
Br.m. dem Herrn Lehrer Vogt
in Heber
unter Bezugnahme auf das Ausschreiben des
königlichen Consistoriums hierselbst vom 6 Au-
gust 1872 (Ebh. Böckler V.Band Seite 288 ff.)
und des königlichen Landesconsistoriums vom
11. März 1888 ("Kirchliches Amtsblatt" Stück 15
No. 59) ergebenst übersandt.

Der Anstaltsgeistliche
beim dem königlichen Gerichts-Gefängnis.

Grünewald Pastor

Seite 2:

Seite 3:

Übersetzung von Seite 3 / Punkt 9:
Vertrauliches Pastoralzeugnis
............ leugnete anfänglich sein Vergehen auf
das Hartnäckigste und wollte durchaus unschuldig ver-
urteilt sein. Allmählich gelang es jedoch, ihn zu einem
Geständnis zu bewegen und auf Grund desselben ihn
dann auch durch die klare Erkenntniß von dem Un-
recht seiner Handlungsweise hindurch zu einer, wie ich
glaube, aufrichtigen Reue zu führen. Wie es häufig bei
jugendlichen Brandstiftern beobachtet wird, so hat auch
ihm das Heimweh und die Sehnsucht nach seiner Mutter
zu seiner schlechten That getrieben. Im Unterrichte zeig-
te er einen aufgeschlossenen Sinn und geistige Reg-
samkeit; im Gottesdienste war er aufmerksam und
innerlich antheilnehmend; im seelsorgerlichen Einzelge-
spräch bewies er zumal nach Einräumung seiner Schuld
eine gute Empfänglichkeit. Ich glaube hoffen zu dürfen,
daß die hinterlegte Strafe seiner ebenso heilsam wie
nachhaltigen Eindruck auf seine fernere Lebensführung
ausüben wird.

Ich darf zugleich bitten, den reumütigen Knaben
nunmehr mit freundlichem Zuspruch entgegenzukommen
und ihn möglichst vor dem Geächtetsein bei seinen Alters-
genossen zu schützen, damit er nicht verbittert werde.